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Kurztrip nach Stralsund

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Ende Mai 2009 - wolkenloser Himmel, ziemlich warm. Schon fast ein sommerlicher Tag, und das ist bei noch angenehmen Temperaturen ideal für einen Altstadtbummel, zumal wenn das Ziel an der Ostsee liegt.

Stralsund kennt der eine oder andere ja vielleicht nur von der Durchfahrt Richtung Rügen, mancher kommt hier auch vorbei, wenn es nach Usedom gehen soll. Der Anblick von der Durchgangsstraße aus ist nicht so übermäßig prickelnd. Dabei hat Stralsund eine sehr gut erhaltene Altstadt und besteht zum Glück nicht nur aus den Plattenbauten im Nordwesten der Stadt (Knieper, Knieper West ...). Stralsunds Altstadt ist auch noch sehr sehenswert, und deswegen lohnt sich immer ein Besuch.

Wir beginnen auf der Hafeninsel am nördlichen Ende und stoßen auf den Hafenspeicher, der an einer Fassade eine symbolisierte Hansekogge trägt. Über die Geschichte der Stadt lest ihr die Details am besten in der Wikipedia nach, das brauche ich hier wirklich nicht alles reinzukopieren.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Stralsund bekam schon im Jahre 1234 das Stadtrecht verliehen und hieß damals Stralow. Gleich nach Lübeck war Stralsund die bedeutendste Hansestadt an der Ostsee. Das kann man an vielen Gebäuden noch immer erkennen. Durch die Lage am Strelasund war die Stadt geografisch auch sehr gut gelegen für den Ostseehandel mit praktisch allen Ländern. Die Hanse war, soweit ich die Geschichte kenne, das längste funktionierende Handelsabkommen im europäischen Raum.

Weiter nach Osten auf der Hafeninsel finden wir ein Fachwerkhaus, leider mit Satellitenschüssel verhunzt und den obligatorischen vielen Schildern rund ums Haus. Ich würde mir wünschen, Parkverbote würden mit farbigen Linien auf dem Bordstein markiert, das funktioniert in Großbritannien sehr schön seit Jahrzehnten und verhindert Millionen von Schildern, die die Städte verunstalten.

Wir haben eine kleine Brücke schon hinter uns gelassen und nähern uns dem zweiten riesigen Speichergebäude.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Drehen wir uns um, sehen wir die "Gorch Fock". Für diejenigen, die jetzt stutzig werden und rufen: "Halt, Fake News, die liegt doch in Kiel!" - ja, korrekt, aber das hier ist die erste "Gorch Fock". Sie wurde 1933 für die Reichsmarine gebaut und ist heute nicht mehr seetüchtig. Die Ähnlichkeit ist kein Zufall, denn diese erste Gorch Fock war Typschiff einer Klasse von sechs Segelschulschiffen, von denen die Kieler "Gorch Fock" erst 1958 für die Bundesmarine erbaut wurde.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

In einem alten Gebäude neben dem Ozeanium, das hier architektonisch kaum hineinpaßt und für das offenbar noch mehr alte Speicher abgerissen wurden, befindet sich unten ein Restaurant. Da bin ich nachher noch eingekehrt, aber ich kann mich nach all den Jahren nicht erinnern, wie das Essen dort war.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Es gibt übrigens auch weitere berühmte Hansestädte wie das wunderschöne Brügge in Belgien. Diese Karte zeigt die Ausdehnung der Hanse um das Jahr 1400:

Extent of the Hansa-optimiert.jpg
Von Credited as London: Wm Heinemann / Friedrich Graf - H.F. Helmolt, History of the World, Volume VII, Dodd Mead 1902. Plate between pages 28 and 29., Gemeinfrei, Link

Hinweis: Ihr dürfte euch die Karte gerne herunterladen, sie ist gemeinfrei und als Datei noch viel größer als hier angezeigt!

Der Blick von der nächsten Brücke geht in westliche Richtung. Wie erwartet, sind die früheren Kais zu endlosen Cafémeilen umfunktioniert worden. An diesem besonders schönen Tag ist es noch nicht übermäßig warm, die Sonnenschirme sind z.T. noch zu. Im Hintergrund links das rote Haus zeigt einen fast schon "holländisch" anmutenden Giebel. Das soll uns bloß nicht wundern: die Hanse hatte gerade in die Niederlande sehr gute Handelsbeziehungen, die Karte habt ihr ja gesehen.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Wenn man die ersten engen Gassen der Altstadt betritt, merkt man, dass Stralsund sehr viel Glück hatte: im Krieg nicht so total zerstört wie andere Städte und in der DDR-Zeit nicht so entsetzlich plattgemacht wie in anderen "sozialistischen Städten". Die Plattmacherei hat übrigens im Westen auch Tradition, in vielen Städten hat man nach dem Krieg die Planungen der Nazis für "autofreundliche Städte" aus den braunen Schubladen geholt, Hakenkreuz abgekratzt und umgesetzt. Kiel macht da keine Ausnahme. Viele alte Bausubstanz ist verschwunden, obwohl davon nach dem Krieg ohnehin kaum noch was übrig war. Den Rest erledigte man in den 70ern, als auch noch der letzte halbwegs intakte Platz mit schäbig wirkenden Blechbuden zugepflastert wurde.

Aber ich schweife ab: schaut euch die Gassen an, hier gibt es innerstädtische Lebensqualität!

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Das hier war ein Bestandteil vom Heilgeistkloster und war ein Hospital. Der Klosterkomplex ist gut erhalten, die Gebäude stehen dicht gepackt und dienen heute z.T. als Wohngebäude. An der nordwestlichen Ecke befindet sich die Heilgeistkirche. (Schreibweise stimmt: ich habe auch erst gedacht, "Heiliger-Geist- ..." müsste doch eher richtig sein.)

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Innerhalb der Klosteranlage zu wohnen, in unmittelbarer Nähe zum Wasser und in Stadtmitte, ist sicher angenehm, aber nicht billig.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Der Denkmalschutz achtet sehr auf das Äußere der Häuser, man findet hier zwar bei genauem Hinsehen Isolierverglasungen, aber keine einzige Satellitenschüssel oder z.B. außen angebrachte häßliche Alarmsirenen mit der roten Rundumleuchte obendrauf!

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Die Laterne vorn auf der Grünfläche ist nicht so unbedingt stilsicher ausgewählt, das stört aber nur den Puristen. Fahrzeugverkehr gab es an diesem Tag hier fast gar nicht. Ich meine mich zu erinnern, dass diese Ecke komplett vom Fahrzeugverkehr (außer Lieferverkehr) ausgeschlossen ist.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Hinter den etwas jüngeren Wohnhäusern links geht es auf die Heilgeistkirche zu.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Die Heilgeistkirche stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist ein typischer Vertreter der Backsteingotik. Diesen Baustil findet man in Norddeutschland, in den nördlichen Niederlanden und Teilen des Ostseeraums. Tatsächlich gibt es einige in diesem Stil errichtete Gebäude bis nach Schweden hoch, oder sogar in den baltischen Ländern (damals auch in der Hanse!).

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Geht man schräg von der Kirche weg in die Frankenstraße und biegt dann rechts in die Badstüberstraße ein, findet man weitere schön erhaltene Häuser. Direkt in der Altstadt gelegen, dürften die Grundstücke von neidischen "Investoren" sicher mit Tränen in den Augen betrachtet werden, denn "wegreißen-und-riesigen-Büroklotz-hinsetzen" ist heute noch in manchen Gegenden nicht ganz unüblich. Nach der "Wende" ging noch mal viel Bausubstanz durch genau solche gierigen "Bauherren" unwiederbringlich verloren.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Auch noch nicht wiederhergestellte Gebäude finden sich in Stralsund. Oft sind immer noch nicht die letzten Eigentumsfragen geklärt. Mancher Besitzer läßt aber auch ein Gebäude bewußt verfallen, weil das unbebaute Grundstück sich teuer verkaufen läßt.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

An der Ecke der nächsten Kirche, St. Jacobi, kann man in viele weitere schöne Straßen blicken. Die Dachfenster von dem Gebäude rechts im Bild sehen allerdings nicht sehr danach aus, als ob da der Denkmalschutz streng draufgeschaut hätte. An der linken Fassade dieses Gebäudes finden sich auch noch Spuren von früher halbkreisförmigen Toren und Fenstern.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Das Portal der Kirche ist hübsch geschmückt. Leider war an diesem Tag geschlossen.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Das Rathaus der Hansestadt Stralsund "von hinten". Backsteingotischer geht es wirklich nicht! Unmittelbar anschließend die Nikolaikirche in demselben Baustil. Sie ist 109 Meter hoch, kaum zu glauben bei dem gedrungenen Eindruck. Die Türme wurden im 17. Jahrhundert durch einen Brand beschädigt, seitdem trägt der südliche Turm die Barockhaube, der nördliche Turm nur eine Art Flachdach. Das war als Notdach geplant, aber bei der Kirche hat man es ja bekanntlich nicht eilig. Was sind schon 340 Jahre für ein Notdach? Vielleicht streiten sie sich ja noch mit der Versicherung herum.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Eine Passage ("Rathaushalle") in diesem ab dem 13. Jahrhundert entstandenen Bau wirkt zwar angenehm gestaltet, sieht aber aus wie Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Tatsächlich gab es in der mehrhundertjährigen Geschichte viele durchgreifende Umbauten und Sanierungen. Über das Rathaus gibt es viel mehr Informationen in der Wikipedia.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Solche Arkaden gibt es in vielen Städten, man findet sie in praktisch allen Hansestädten. Aus Brügge erinnere ich gleich mehrere so gestaltete Häuser. Der Zweck war es, für bestimmte Waren einen überdachten Markt zu haben, z.B. für Tuch. Sehr reiche Städte hatten sogar Tuchhallen und hielten die großen Tuchmärkte dort ab.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Vor dem Rathaus befindet sich ein sehr schön gestalteter Markplatz. Wir sehen rechts eine Touristengruppe, die Stadtführerin ist kostümiert.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Durch die Giebel des Rathauses strahlt die Sonne. Der Giebel ist ein sogenannter "Schaugiebel". Hinter dieser Fassade befanden sich nie soviel Etagen wie hier vorgetäuscht. Das war nur "Show", machte sich aber gut auf den damals einzig verfügbaren Stichen und Zeichnungen. Damit wirkte Stralsund noch wohlhabender, noch mächtiger ... als die Nummer Zwei hinter Lübeck hatten die es eigentlich gar nicht nötig.

Was lernen wir daraus? Auch früher gab es Politiker mit fürchterlich aufgeblasenem Ego, die sich ein Denkmal aus Stein schaffen wollten auf Deubelkommraus. Ähnlichkeiten mit Hamburger und Berliner Geldverbrennern des 21. Jahrhunderts sind nicht beabsichtigt, sondern kein Zufall wink.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Geht man über den Markt und dann in die Mühlenstraße, finden sich Fassaden aus vielen unterschiedlichen Epochen. Und heute muss man dankbar sein, dass der "Parkscheinautomat" nicht noch monströser gestaltet vor ein Haus aus dem 14. Jahrhundert gepflanzt wurde. Man hätte ihn übrigens weg vom Gehweg auf die Straße setzen können statt direkt an die Hauswand. Das Gebäude dahinter ist nämlich wirklich sehenswert und verdient diese Verunstaltung nicht!

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Es finden sich auch viele Details an den Bauten, die ahnen lassen, wie das früher ausgesehen haben muss. Hier zum Beispiel scheint ein Schmuckelement entfernt worden zu sein.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Ein leerstehendes (2009!) Gebäude enthielt ein Proviantmagazin. Es stammt von 1717 und steht in der Schillstraße. Hoffentlich wird es inzwischen genutzt.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Diese Gebäude sind original erhalten und sehr schön restauriert. Eine Straße weiter, das merkte ich aber erst nach dem Besuch, gibt es ein Ensemble aus drei Neubauten, bei denen man erst auf den vierten Blick erkennt: die sind nicht aus der Zeit!

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Jetzt geht es wieder Richtung Hafen. Unterwegs kommt man am früheren St.Jürgen-Kloster vorbei, das bietet auch viel fürs Auge.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Der Drachentöter ist sehr schön erhalten und ein kleines Kunstwerk.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Viele Fachwerkhäuser stehen links und rechts in der zum Hafen führenden Straße. Man kann oft in die Höfe gucken und kriegt die Kamera kaum vom Auge weg ...

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Der Turm gehört zu einem Gebäude am "Fährwall". Vielleicht war das mal / ist es noch ein Wasserturm? Oben gibt es nur sehr wenige Fenster, und erst im Dachgiebel ist wieder was vorhanden.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Der Hafenspeicher kommt wieder in Sicht. Wir sehen, dass es hier mehrere Etagen bis unters Dach gibt, eine möglichst effiziente Raumausnutzung. Zur Bauzeit wird es aber kaum Aufzüge gegeben haben. Das wird eine Schinderei gewesen sein, die oberen Etagen mit Waren zu bestücken.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Hier der ganze Speicher: über den eben sichtbaren Dachgeschossen gibt es noch ein weiteres, das hat aber nur ein rundes Fenster an der Giebelseite. Der Speicher verdeckt auf der Aufnahme übrigens die Gorch Fock.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Aber wenn man etwas weitergeht, sieht man sie auf einmal wieder vor sich liegen!

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

Und auch in dieser Straße, die ich nun hinuntergehe, gibt es fotogene Ecken. 2009 wurde hier noch kräftig gebaut, inzwischen muss das noch schöner geworden sein. Mal sehen.

Hansestadt Stralsund, ein kurzer Besuch 2009

So, das soll der kleine Rundgang gewesen sein. Ich bin anschließend noch auf der Gorch Fock gewesen, aber das wird dann ein weiterer Artikel. Über Kommentare freue ich mich immer!

Die Lage der Altstadt von Stralsund:


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